Der „Chinesische Spion“ auf Lessings Schreibtisch: Unter dieser Überschrift informiert das Lessing-Museum in Kamenz über die Rekonstruktion von Lessings letzter Privatbibliothek. Auch das Sammeln und Bewahren gehören zu den Aufgaben eines Museums, heißt es in der Mitteilung.
Seit 2011 rekonstruiert das Lessing-Museum die letzte private Büchersammlung von Gotthold Ephraim Lessing in ausgabengleichen Exemplaren. Die 264 Bände umfassende Bibliothek war nach Lessing Tod verkauft und damit zerstreut worden. Zum Jahresende 2019 wurde dem Museum von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erneut eine großzügige Förderung für weitere Ankäufe für dieses Projekt gewährt. Unterstützt wurde das Museum dabei außerdem von einer Kamenzer Firma. Mit den Fördergeldern konnten weitere zwölf Titel erworben werden, teilt das Museum mit. Darunter sind Werke der Philosophen Aristoteles und Platon aus der Antike, eine „Beschreibung der Königlichen Bildergallerie und des Kabinets im Sans-Souci“ von 1764, eine italienische Grammatik in Französisch von 1774 oder Pierre-Ange Goudars „L’Espion chinois“ („Der chinesische Spion“) von 1764, mit dem der französische Schriftsteller und Abenteurer in der Tradition der „Persischen Briefe“ von Montesquieu stand. In Lessings Sammlung spiegeln sich auch die Kämpfe der Aufklärung wider, so in August Hennings‘ „Olawides“ (1779), einer Publikation über den peruanischen Juristen Pablo Antonio José de Olavide y Jáuregui, der unter anderem wegen seiner religiösen Toleranz in Konflikt mit der spanischen Inquisition geriet, schreibt das Museum.
Das älteste diesmal erworbene Buch ist Julius Wilhelm Zincgrefs „Der teutschen Scharpfsinnige kluge Sprüch“ von 1628. Lessing zitierte mehrfach aus der Sammlung des Barockautors, die bis heute immer wieder aufgelegt wird. Darüber hinaus konnten 40 Bände von Johann Georg Krünitz‘ epochaler „Oeconomischer Encyclopädie“ angekauft werden, darunter drei Bände, die sich auch in Lessings Bibliothek befanden. Lessing erlebte den Abschluss des enzyklopädischen Mammutunternehmens nicht mehr: Von 1773 bis 1858 erschienen vom „Krünitz“ 242 Bände – er zählt damit zu den umfangreichsten deutschsprachigen Lexika.
Das Lessing-Museum hat jetzt 121 der 264 Titel zusammengetragen, die sich zum Zeitpunkt von Lessings Tod in seinem Besitz befanden. In einer Reihe von Werken finden sich direkte Bezüge zu seinem Schaffen. Die Sammlung gibt zugleich einen Einblick in den geistigen Horizont Lessings, meint das Museum, denn die Werke spiegeln seine vielfältigen Interessen ebenso wider wie seine umfangreichen Kontakte in der Gelehrtenrepublik und seine beeindruckenden Sprachkenntnisse. (st) 26. März 2020